REZENSIONSEXEMPLAR I Ihr wisst bestimmt, dass Anne Freytag mittlerweile zu meinen Lieblingsautorinnen gehört. Ich bin einfach großer Fan ihres Schreibstils und ihrer Geschichten. Daher habe ich mich auch sehr auf ihr neues Buch “Das Gegenteil von Hasen” gefreut. Der Klappentext hörte sich einfach so gut an, aber auch wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte ich mich auf das Buch gefreut. Schließlich ist es von Anne Freytag! Jedenfalls hatte ich nun die Gelegenheit, ihren neusten Jugendroman zu lesen und wollte euch heute ein bisschen was darüber erzählen! An dieser Stelle auch noch einmal vielen Dank an Heyne für das Rezensionsexemplar und die tollen Merchandiseartikel. Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut!
Infos zum Buch:
Titel: Das Gegenteil von Hasen I Autorin: Anne Freytag I Genre: Young Adult I Verlag: Heyne fliegt I Seiten: 416 I Ersterscheinung Deutschland: 25. Mai 2020 I Preis: 17,00€ (Hardcover) I ISBN: 978-3-453-27280-4 I Zum Buch
Darum geht’s:
Sie sind in derselben Jahrgangsstufe und trotzdem in verschiedenen Welten. Julia, Marlene und Leonard im Zentrum der Aufmerksamkeit, der Rest irgendwo in ihrer Umlaufbahn. Dann geschieht etwas, das alles verändert: Eines Morgens macht plötzlich eine Internetseite die Runde, die bis dato auf privat gestellt war. Darauf zu finden sind Julias ungefilterte Gedanken, Bomben in Wortform, die sich in kürzester Zeit viral verbreiten. Es sind Einträge, die ein ganz anderes Bild des beliebten Mädchens zeigen, das alle zu kennen glauben. Wer hinter der Aktion steckt, ist zunächst unklar, doch nach und nach kommt heraus: Gründe dafür hätten einige.
“Der Tag, an dem alles anders wurde, war ein Donnerstag. Das Datum weiß ich nicht mehr. Dafür erinnere ich mich umso genauer an den weißen Hasen, den ich am selben Morgen um kurz vor acht auf dem Grünstreifen zwischen Straße und Trambahnschienen gesehen habe.”
Freytag, Anne: Das Gegenteil von Hasen. München 2020, S. 7
Handlung:
“Das Gegenteil von Hasen” ist eine Geschichte über Mobbing, über Verantwortung, über Sexualität und über Freundschaft. Die Protagonistin Julia dachte, ihre geheimsten Gedanken seien auf ihrem privaten Blog sicher. Doch dann wird ihr Laptop geklaut und da sie ihre Passwörter im Browser gespeichert hat, hat plötzlich jemand Zugang auf all ihre Gedanken. Vernichtende Gedanken. Urteile über Mitschüler. Worte, die nie dazu gedacht waren, an die Öffentlichkeit zu gelangen. Doch dann passiert genau das. Jemand veröffentlicht Stück für Stück alle Beiträge und Julias Leben verändert sich schlagartig. Auf einmal ist sie eine Außenseiterin und das Leben, das sie kannte, ist weiter denn je von ihr entfernt.
Die Handlung steigt kurz vor der Veröffentlichung der Beiträge ein, was ich am Anfang ein wenig verwirrend fand. Trotz der Zeit bzw. Tagesangaben am Kapitelanfang wusste ich zu Anfang nicht so recht, zu welchem Zeitpunkt in der Geschichte ich mich befinde, da die Handlungen der Figuren noch nicht so richtig gepasst haben. Das hat sich dann aber verbessert, als die Beiträge online gingen. Von da an hatte ich keine Probleme mehr, der Chronologie zu folgen und habe den Anfang dann auch als logischer empfunden.
Als Leser bekommt man auch einige von Julias Einträgen zu lesen und die haben mich wirklich schockiert. Julia schreibt genau das, was sie in dem Moment über die Personen gedacht hat. Und tätigt dabei einige Aussagen, die ziemlich heftig für die Betroffenen Personen sind. Ich musste bei manchen Sätzen tatsächlich mal schlucken, weil ich sie so heftig fand. Mobbing ist aber eben das Thema des Romans. Er begegnet uns an vielen Stellen und viele Figuren erfahren aktiv während der Geschichte Mobbing oder haben es erfahren und berichten davon. Ich denke, dass dadurch schon ganz gut ein realistisches Bild von Mobbing eingefangen werden konnte. Ich selbst habe kein Mobbing am eigenen Leib erfahren müssen. Natürlich wurde ich mal von jemandem ein wenig geärgert oder aufgezogen, aber das war, in meinen Augen jedenfalls, kein wirkliches Mobbing. Und ab der Mittelstufe habe ich auch keine solcher Erfahrungen mehr gemacht. In “Das Gegenteil von Hasen” wird allerdings echtes, sehr heftiges Mobbing thematisiert, das es so auch tatsächlich an Schulen in Deutschland geben wird. Ich fand die Darstellung von Mobbing daher durchaus realistisch. Und dadurch war die Geschichte auch sehr bedrückend. Es war keine “schöne” Geschichte, aber es war eine Geschichte, die die Realität widerspiegelt und die einen irgendwie wachrüttelt. Noch einmal daran erinnert, wie stark Mobbing einen Menschen treffen kann. Aber auch, dass man Verzeihen kann. Durch diesen Aspekt des Verzeihens wurde die andere Aussage aber nicht geschmälert. Was ich auch sehr wichtig finde.
Dann gab es aber zwei Dinge an der Handlung, die mir nicht so gut gefallen haben. Zum einen war sie mir ein wenig zu sexualisiert. Ich mag das generell ja nicht so gerne, aber hier hat es mich tatsächlich ziemlich gestört. In “Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte” war die Handlung teilweise auch sehr sexualisiert, aber da hat es mich nicht gestört, da es besser in den Kontext gepasst hat. Hier war das irgendwie nicht so. Ich verstehe, dass es teilweise zu einigen anderen wichtigen Aspekten in diesem Buch dazugehört, aber mir persönlich war es einfach ein bisschen too much. Und es hat auch nicht meine eigene Realität als Teenager widergespiegelt.
Der zweite Aspekt, den ich nicht so gelungen fand, war die Auflösung am Ende. Also die Beantwortung der Frage, wer die Beiträge veröffentlicht hat. Ich fand es einfach nicht passend und die Motive der Person konnte ich zwar grundsätzlich nachvollziehen, fand ihre Reaktion, also das Veröffentlichen der Beiträge, aber ein bisschen überzogen. Aber mehr kann ich zu diesem Aspekt leider nichts sagen, ohne zu Spoilern.
Die Spannung betreffend kann ich allerdings wieder einen positiven Punkt von “Das Gegenteil von Hasen” anführen. Die Geschichte war nämlich wirklich spannend. Durch den “Wer war es?”-Aspekt wurde die Spannung natürlich immer weiter vorangetrieben, aber auch ansonsten ist es Anne Freytag immer wieder gelungen, weitere spannende Elemente mit in die Geschichte zu verflechten.

Figuren:
In “Das Gegenteil von Hasen” gibt es ein recht großes Figurenrepertoire, die tatsächlich zu Wort kommen. Insgesamt ist die Geschichte aus über sieben Perspektiven geschrieben und weitere Personen kommen in Interviewform zu Wort. Mit manchen Figuren hätte ich, dem Klappentext zufolge, überhaupt nicht als Erzähler gerechnet, aber es war dennoch sinnvoll, sie zu Wort kommen zu lassen.
Toll fand ich, dass trotz der hohen Anzahl an Figuren, alle ihre individuelle Geschichte hatten, die noch zusätzlich erzählt wurde. Sei es die Angst davor, sich zu outen, der Umgang mit Mobbingerfahrungen oder Überforderung mit dem eigenen Leben. Dadurch waren alle Figuren direkt viel plastischer und realistischer. Ich hatte beim Lesen wirklich den Eindruck, einen Schnipsel aus dem Leben eines echten Menschen zu lesen. Und nicht eine fiktive Biografie. Mir hat außerdem gefallen, dass auch mal erwachsene Figuren (eine Lehrerin und eine Mutter) zu Wort gekommen sind.
Dennoch waren mir nicht alle Figuren sympathisch. Tatsächlich war Julia die einzige, die ich wirklich mochte. Und das obwohl sie so vernichtende Sachen über die anderen geschrieben hat. Linda war zwar nicht mein Typ Mensch, aber ich fand dennoch, dass sie an einer Stelle wirkliche Größe gezeigt hat, was ich sehr bewundernswert fand. Ansonsten mochte ich Leonard noch ganz gerne, da er mir tatsächlich ziemlich leid getan hat.
Insgesamt konnten die Figuren vielleicht nicht unbedingt durch Sympathie überzeugen, was aber ja auch ein ziemlich subjektives Kriterium ist, aber dafür durch Komplexität und Realitätsnähe, was auf jeden Fall für sie spricht.
Sprache und Schreibstil:
Grundsätzlich bin ich ja ein riesiger Fan von Anne Freytags Schreibstil. Und auch in “Das Gegenteil von Hasen” konnte sie grundsätzlich wieder mit ihrem großartigen Stil glänzen – jedoch nicht uneingeschränkt. Normalerweise schreibt Anne Freytag ihre Geschichten immer in der Ich-Perspektive und im Präsens. Das Tempus hat sie auch dieses Mal beibehalten, allerdings ist sie dieses Mal in einen Er-/Sie-Erzähler gewechselt. Jedenfalls zum größten Teil. Und das hat sich meiner Meinung nach nicht so gut mit ihrem Schreibstil vertragen. Sie schreibt nämlich sehr gefühlsbetont und immer sehr nah an den Gedanken und Gefühlen ihrer Figuren. Und das hat meiner Meinung nach nicht so gut zu der klassischen Erzählinstanz, die sie in “Das Gegenteil von Hasen” benutzt hat, gepasst. Eine Person lässt sie in der ersten Person erzählen, nämlich die Person, die Julias Blog veröffentlicht hat. Aus dramaturgischer Sicht ergibt das also ingesamt Sinn, passte nur leider nicht zum Stil.
Die Sprache war aber wie gewohnt gut und die Sprachverwendung sowie die Wortwahl passte zur Geschichte bzw. zum Alter der Figuren und zu den Themen.
Fazit:
Wenn ihr meine beiden anderen Rezensionen zu Anne Freytags Romanen gelesen habt (ihr könnt sie hier und hier nachlesen), dann ist euch sicherlich aufgefallen, dass ich dieses Mal deutlich weniger euphorisch war und auch einige Kritikpunkte hatte, was bei den anderen beiden Romanen nicht der Fall war. Das waren für mich beide zu 100% 5-Sterne Bücher, aber das kann ich über “Das Gegenteil von Hasen” nicht sagen. Generell fällt mir eine abschließende Bewertung sehr schwer. Subjektiv, also allein auf meinem persönlichen Gefühl beruhend, würde ich drei Sterne geben. Subjektiv hingegen, würde ich einen Stern drauf geben. Ich selbst hatte einfach ein paar Probleme mit den Figuren und mit manchen Aspekten der Handlung. Ich fand das Buch bedrückend und habe mich beim lesen nicht wirklich wohlgefühlt. Daher die drei Sterne. Anderseits sind das sehr subjektive Wahrnehmungen, die in eine objektive Beurteilung nicht mit reinspielen dürfen. Objektiv betrachtet ist “Das Gegenteil von Hasen” nämlich besser. Die Figuren sind gut ausgearbeitet und realitätsnah, die Geschichte ist spannend und logisch, es wird ein wichtiges und ernstes Thema ungeschönt und nah an der Realität beschrieben. Abzüge gibt es für den Schreibstil, der nicht so gut passt und für die Auflösung, die einfach nicht so gelungen war. Daher gebe ich ingesamt 3,5 Sterne mit einer objektiven Tendenz zu vier Sternen. “Das Gegenteil von Hasen” ist wirklich kein schlechtes Buch und es ist auch dennoch empfehlenswert, aber es war einfach nicht mein Buch. Ich bleibe dieses Mal übrigens bei einer reinen Sternebewertung, da “Das Gegenteil von Hasen” weder ein Buch “Für zwischendurch” ist, noch eine “Wohlfühllektüre”.
Habt ihr “Das Gegenteil von Hasen” schon gelesen?
xoxo Ruth

Klingt sehr spannend! :-)
Freut mich, das zu lesen :)
Ich habe schon überlegt, dass ich das Buch mal lesen werde, aber “Mein bester letzter Sommer” von der Autorin hat mir nicht besonders gut gefallen, deshalb bin ich mir jetzt unsicher, ob dieser Roman was für mich ist 🤔 Die Thematik erinnert mich ein wenig an “One of us is lying” 😅 Kannst du dazu irgendwas sagen?
Jaa, also ich kann verstehen, dass die Thematik ein bisschen an “One of us is lying” erinnert. Aber eigentlich sind die Bücher eher unterschiedlich. Also “Das Gegenteil von Hasen” ist jetzt nicht unbedingt ein Thriller und auch wenn es natürlich darum geht, herauszufinden, wer die Texte veröffentlich hat, so stehen hier viel mehr die Gedanken und Gefühle der Figuren im Vordergrund und nicht das ganze “Wer war es?”. Ich persönlich fand “One of us is lying” auch deutlich besser als “Das Gegenteil von Hasen”🙊