Mark Twain sagte einmal: “Ein Klassiker ist etwas, das jeder gelesen haben möchte, aber keiner lesen will.” Mit diesem Satz trifft der Autor von “Tom Sawyer” meiner Meinung nach den Nagel auf dem Kopf. Wir möchten doch alle irgendwie gerne Klassiker gelesen haben, Anspielungen in Filmen und Serien verstehen und uns einfach ein Stückchen gebildeter fühlen. Aber lesen? Oh, da greifen die meisten vermutlich tatsächlich eher zu anderen Büchern. Ich muss zugeben, Klassiker lesen macht mir meistens auch nicht so viel Spaß wie das Lesen zeitgenössischer Literatur. Das Leseerlebnis ist einfach grundsätzlich ein anderes. Da ich aber, auch durch mein Studium, bereits einige Klassiker gelesen habe, möchte ich heute einen kleinen Guide mit euch teilen, wie ihr vielleicht mehr Spaß an Klassikern bekommen könnt. Viel Spaß!
Niemand muss Klassiker lesen:
Direkt zu Beginn erstmal folgendes: ihr müsst keine Klassiker lesen, wenn ihr nicht wollt. Generell muss niemand Klassiker lesen, wenn er nicht will. Jedenfalls nicht freiwillig. Die Klassiker, die man in der Schule oder in der Uni liest, solltet ihr vielleicht besser tatsächlich lesen ;). Aber was ihr in eurer Freizeit lest, ist einzig euch überlassen. Lasst euch von Kommentaren wie “Wer keine Klassiker liest, liest eigentlich gar nicht” oder “Also ich lese nur richtige Literatur” nicht unterkriegen. Klassiker lesen ist anstrengend und wenn euch das nicht gefällt, dann lasst es. Ihr müsst auch nicht immer alle Anspielungen verstehen. Es gibt so viele Dinge im Leben, die uns stressen können. Lasst Klassiker lesen (oder eben nicht) nicht zu einem weiteren Stressfaktor werden.
Was ist überhaupt ein Klassiker?
Der Begriff “Klassiker” ist ein bisschen schwierig zu erklären bzw. zu definieren. Eigentlich sind literarische Klassiker nämlich nicht unbedingt das, an das wir jetzt denken. Im engeren Sinn sind damit nämlich Werke antiker Autoren gemeint, die auch heute noch Bedeutung haben, z.B. die Ilias. Aber das lese auch ich nicht, wenn ich sage, ich lese einen Klassiker, haha. Für mich, und ich denke für die meisten anderen Laien, die diesen Begriff benutzen, auch, ist ein literarischer Klassiker ein Buch, das eine lange und überregionale Bekanntheit besitzt, zeitlose Themen behandelt und dem eine überdurchschnittlich hohe Qualität zugeschrieben wird. Auf diese Definition beziehe ich mich innerhalb des gesamten Beitrags, wenn ich von Klassiker rede. Hinzu kommt noch, dass manche Klassiker einer breiteren Masse bekannt sind als andere. Damit meine ich, dass Germanisten oder Anglisten vermutlich noch deutlich mehr Bücher als Klassiker bezeichnen, als Laien.
Warum Klassiker noch gelesen werden sollten:
Eine Sache finde ich bei Klassikern faszinierend: total viele Leute sträuben sich zu Schulzeiten total, Klassiker zu lesen. Sie verstehen den Sinn dahinter nicht und fragen sich “Was hat das mit mir zu tun?”. In ihrem späteren Leben greifen einige von denen dann aber doch nochmal zu Klassikern, sogar häufiger zu englischsprachigen als deutschsprachigen Klassikern. Die haben bei Goodreads auch faszinierenderweise oft deutlich besserer Durchschnittsbewertungen als deutsche Klassiker. Woran genau das liegt, weiß ich nicht, aber vermutlich daran, dass die meisten deutschsprachige Klassiker mit ätzender Schullektüre verbinden und englischsprachige eben nicht. Worauf ich eigentlich hinaus will: Klassiker sind auch heute noch relevant. Oft behandeln sie, wie oben in de Definition ja auch erwähnt, zeitlose Themen. Also solche Themen, die sich nicht auf eine bestimmte (historische) Situation beziehen, sondern die in jeder Zeit gültig sind können. Solche Themen sind Liebe, Hass, Verrat, Schuld, Freundschaft etc. Und sehr, sehr viele Klassiker behandeln eben genau diese Themen. Als wir Goethes “Faust” in der Schule gelesen haben, hat mein Deutschlehrer direkt klargemacht, dass in diesem Stück wahnsinnig viele Themen stecken, die auch für Schüler im 21. Jahrhundert noch relevant sind. Jedenfalls werdet ihr in Klassikern sehr oft Themen finden, mit denen ihr euch identifizieren könnt bzw. die für euch noch von Relevanz sind, obwohl das Buch schon ein bisschen älter ist. Außerdem sind Klassiker auch ein Stück Kulturgut, das genau wie Musik erhalten bleiben sollte.

Klassiker lesen ist ein anderes Leseerlebnis:
Einen Klassiker zu lesen fühlt sich nicht so an wie ein zeitgenössisches Buch zu lesen. Das Leseerlebnis ist ein anderes. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Sprache meist nicht so eingängig wie in zeitgenössischer Literatur. Umständliche Formulierungen (gerade bei Dramen) oder eine veraltete Wortwahl sind für viele ein Grund, keinen Klassiker zu lesen. Darauf müsst ihr euch aber einlassen. Ihr werdet für einen Klassiker vermutlich länger brauchen, als für ein “normales” Buch. Aber das ist normal. Dann muss man auch sagen, dass viele Klassiker langweilig erscheinen und einem erst im Nachhinein gefallen. Man quält sich durch hunderte Seiten und denkt sich “Oh je, das gefällt mir aber nicht”, aber kann dann am Ende doch irgendwie noch seinen Gefallen an der Geschichte finden. Besonders, wenn man sich danach noch etwas mit der Geschichte beschäftigt. Was mich zum nächsten Punkt bringt:
Klassiker müssen kontextualisiert werden:
Klassiker muss man in ihrem Kontext betrachten, sonst kann man schnell enttäuscht werden. Informiert euch, vor oder nach dem lesen, was die Geschichte eigentlich so besonders macht. Vielleicht enthält sie etwas, das man heute als selbstverständlich betrachten würde, zur Entstehungszeit aber vielleicht noch lange nicht selbstverständlich war. Ein Beispiel dafür ist “Jane Eyre” von Charlotte Bronte. Man bezeichnet den Roman gemeinhin als “feministisch” und Jane wird als “starke und eigenwillige Frau” charakterisiert. Beim Lesen des Romans fällt euch das vielleicht nicht so auf, da sie sich für heutige Standards fast schon normal verhält. Als “Jane Eyre” 1847 erstmals erschienen ist, war es aber noch lange nicht normal für eine Frau, einem Mann Paroli zu bieten und sich ihm zu widersetzen. So eine Kontextualisierung müsst ihr immer beachten, wenn ihr einen Klassiker lest.
Die Message ist das entscheidende:
Ich habe eben schon gesagt, dass manche Klassiker irgendwie langweilig sind. Ja, das sind sie. Aber ich lese sie oft wegen der Message. Denn die ist oft das Entscheidende bzw. das Besondere. Einer meiner absoluten Lieblingsklassiker ist “Die Physiker” von Friedrich Dürrenmatt. Von der Handlung ist das Drama eigentlich eher langweilig. Aber die Aussage, die dahinter steckt, ist so enorm wichtig. In “Die Physiker” geht es nämlich um die (gesellschaftliche) Verantwortung der (Natur)Wissenschaft und darum, dass man auch Gedanken nicht mehr zurücknehmen kann, sobald sie einmal gedacht sind. Mich hat die Geschichte extrem beeindruckt und sie hat mich auch definitiv in meinem Denken geprägt. Und das, obwohl ich sie beim bloßen Lesen eigentlich eher langweilig fand.
Womit fange ich?
Okay, genug Theorie! Nehmen wir mal an, euch konnten alle meine Argumente bisher davon überzeugen, mal einen Klassiker zu lesen. Dann fragt ihr euch jetzt vermutlich, womit ihr anfangen solltet. Für den Anfang würde ich euch bei englischen Klassikern auf jeden Fall empfehlen, zunächst die Übersetzung zu lesen. Gerade Klassiker haben oft sehr gute Übersetzungen, sodass die Sprache auch auf Deutsch noch kompliziert zu verstehen ist. Aber dennoch wird euch das leichter fallen. Besonders bei Erwachsenenliteratur. Aber auch bei Kinderbüchern ist das englische Original oft recht schwer zu Verstehen. Ich habe beispielsweise eine Ausgabe von “Mary Poppins” auf Englisch, die ich aber sehr schwer verständlich finde. “Little Women” beispielsweise war deutlich besser zu verstehen. Oft hilft es dann auch, wenn ihr euch Ausgaben mit Anmerkungen und Vokabelerklärungen kauft. Das wird das Leseerlebnis definitiv steigern! Bei deutschen Klassikern würde ich euch übrigens immer empfehlen, die Reclam-Hefte zu kaufen. Die sind vielleicht nicht so schön wie Schmuckausgaben, aber dafür sind sie deutlich günstiger. Achtet aber darauf, dass ihr keine Studienausgabe kauft, die sind dann schon mal gerne ein bisschen teurer. Ansonsten kann ich euch empfehlen, auch bei Klassikern in dem Genre zu lesen, dass ihr sonst gerne lest. Wenn ihr grundsätzlich keine Dystopien lest, dann wird euch “1984” vermutlich eher weniger gefallen. Wenn ihr aber gerne Liebesgeschichten lest, werdet ihr bei Jane Austen oder den Bronte-Schwestern sicherlich fündig!
Noch etwas: es ist absolut okay, wenn euch der Klassiker dann am Ende tatsächlich wirklich nicht gefällt. Aber lasst euch davon nicht den grundsätzlichen Spaß an Klassikern lesen. Probiert es immer wieder, irgendwann findet ihr schon einen Klassiker, der euch absolut umhaut!
Meine Klassikertipps:
Zum Schluss möchte ich euch gerne eine kleine Übersicht meiner Lieblingsklassiker geben. Es sind sowohl englisch- als auch deutschsprachige Klassiker dabei.
- F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby – mein absoluter Lieblingsklassiker! (Roman)
- Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker (Drama)
- Louisa May Alcott: Little Women (Roman)
- Franz Kafka: Der Prozess – Achtung, schwer! (Roman)
- Friedrich Schiller: Kabale und Liebe (Drama)
- Mark Twain: Tom Sawyer (Roman)
Lest ihr gerne Klassiker?
xoxo Ruth

Ich habe seeeehr lange gezögert bis ich Mary Poppins gelesen habe. Ich kannte den ungefähren Inhalt ja schon, da hört man halt mal hier, mal da was ;) … Ich fand das Buch trotzdem schön!
Ich habe auch schon oft gehört, dass die Buch Mary ein bisschen strenger und nicht so verspielt ist wie die Filmversion. Aber naja, vielleicht schaffe ich es ja doch noch, das Buch irgendwann mal zu lesen :)
Liebe Ruth, dein Artikel kam genau zur richtigen Zeit! Ich überlege nämlich schon länger, mich mal mit Klassikern auseinanderzusetzen, aber irgendwie fehlte mir immer ein letzter Schubs in diese Richtung, bzw. scheine ich wie viele Leser dieselben Hemmungen gegenüber Klassikern zu hegen, wie du sie in deinem Text beschrieben hast. Deine Begeisterung für die alten Texte und deine Anregungen haben mich aber gerade sehr inspiriert! Ich denke, ich werde es tatsächlich mal mit einem Klassiker versuchen. :) Danke für die tolle Inspiration! <3
Es freut mich unglaublich, das zu lesen! Vielen lieben dank und viel Spaß beim lesen🙈💗
Lustig, genau darüber habe ich mich letztens mit meinen Freunden unterhalten, weil ich mir vorgenommen habe mehr Klassiker zu lesen. Irgendwie interessiert mich das schon länger aber ich bin nie wirklich dazu gekommen bzw habe mich nicht rangetraut… Ich glaube ,ich mit werde mit Jane Austen anfangen ^^
Liebe Grüße, Caro ❤
Dann wünsche ich dir ganz viel Spaß mit Jane Austen und ihren Romanen. Bei mir liegt schon seit einer halben Ewigkeit “Emma” herum und wartet nur darauf, langsam mal gelesen zu werden🙈
Ich hatte das auch Mal aus der Bücherei, hatte dann aber keine Zeit und musste es wieder abgeben…
Ich lese tatsächlich auch eher weniger oft Klassiker, aber dein Blog Post macht es einem doch schmackhaft! Also wahrscheinlich werde ich mich demnächst einem deiner liebsten Klassiker widmen 😉 ich bin auch der Meinung, dass man Klassiker nicht grundsätzlich ablehnen sollte, es schadet aber auch nicht, ein paar Jahre zwischen der letzten Lektüre in der Schule und einem Klassiker, den man in seiner Freizeit lesen will zu bringen 😌
Freut mich, dass ich dir Klassiker ein bisschen schmackhafter machen konnte🙈