Rezensionsexemplar I 2022 hat die Originalausgabe des nun auch auf Deutsch erschienen Roman “Morgen, morgen und wieder morgen” (“Tomorrow, tomorrow and tomorrow”) von Gabrielle Zevin den Goodreads Choice-Award in der Kategorie “Fiction” gewonnen. Das hat mich sofort neugierig gemacht. Mittlerweile habe ich das Buch gelesen und daher gibt es heute die Rezension. Ein großes Dankeschön geht an dieser Stelle auch an den Eichborn-Verlag, die mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben.
Infos zum Buch:
Titel: Morgen, morgen und wieder morgen I Autorin: Gabrielle Zevin I Verlag: Eichborn I Genre: Fiktion/Belletristik I 560 Seiten I 25€ (Hardcover) I Erscheinungsdatum: 24.02.2023 I ISBN: 978-3-8479-0129-7 I Zum Buch
Darum geht’s:
Mitte der 90er-Jahre in Massachusetts: An einer U-Bahn-Station trifft Sadie, hochbegabte Informatikstudentin und angehende Designerin von Computerspielen, ihren früheren Super-Mario-Partner Sam wieder. Die beiden beginnen, gemeinsam an einem Spiel zu arbeiten, und schnell zeigt sich, dass sie nicht nur auf freundschaftlicher, sondern auch auf kreativer Ebene ein gutes Team sind. Doch als ihr erstes gemeinsames Computerspiel zum Hit wird, brechen sich Rivalitäten Bahn, die ihre Verbundenheit zu bedrohen scheinen (Klappentext).
“Bevor Mazer sich als Mazer neu erfinden sollte, war er Samson Mazer, und davor hieß er Samson Masur.”
Zevin, Gabrielle: Morgen, morgen und wieder morgen. Köln: Bastei Lübbe AG 2023, S. 13
Handlung:
Es gibt so Romane, die ziehen einen auf der ersten Seite in die Handlung und spucken einen dann viele hundert Seiten erst wieder aus. So ein Roman ist für mich “Morgen, morgen und wieder morgen” gewesen. Ich habe das Buch zwar nicht an einem Stück gelesen, aber jedes Mal, wenn ich es in der Hand hatte, bin ich wieder sofort in der Geschichte versunken und konnte mich kaum loseisen. An einem Sonntagnachmittag habe ich über 200 Seiten gelesen, was bei mir sehr viel für einen Tag ist. Sogwirkung ist also der erste Pluspunkt, den dieses Buch einheimsen konnte.
Die Geschichte spielt über mehrere Jahrzehnte, so werden die 80er bis hin in die aktuelle Gegenwart abgedeckt. Man begleitet die beiden Protagonisten Sam und Sadie also über einen sehr langen Zeitraum und lernt sie dadurch extrem gut kennen. Veränderungen ihrer Charaktere, aber auch solche der Welt, in der sie leben, können so sehr gut erläutert werden. Die beiden und ihre Welt haben sich so unglaublich echt angefühlt.
Ein wichtiger Aspekt von “Morgen, morgen und wieder morgen” sind Computerspiele. Und auch wenn ich persönlich mich nicht so sehr für Computerspiele begeistern kann, habe ich diesen Aspekt an dem Buch abgöttisch geliebt. Computerspiele werden hier als Geschichten, die erzählt werden müssen, verstanden. Sie sind eine ästhetische und erzähltechnische Meisterwerke. Das hat meinen Blick auf sie sehr verändert.
Ansonsten erzählt “Morgen, morgen und wieder morgen” einfach eine Geschichte über das Leben. Es geht um Freundschaft, Verlust, Erfolg und Misserfolg, erwachsen werden, Identität und letztlich auch Liebe. Vom Lesegefühl hat es mich übrigens sehr an eine Mischung aus “Ein wenig Leben” (ohne die ganzen Triggerpunkte!) und “Normale Menschen” erinnert – ich hab’s geliebt!


Figuren:
Die Geschichte wird sowohl von Sam als auch von Sadie erzählt, ab und zu springt die Sicht aber auch auf andere Figuren. Die beiden verbindet eine innige Freundschaft, die aber immer schon von Missverständnissen und Höhen wie Tiefen geprägt war. Beide sind sehr eigensinnige und besondere Charaktere. Ich bin mir sicher, dass sie nicht überall für Sympathie sorgen, aber ich habe sie schnell ins Herz schließen können.
Sam ist ein Träumer, der aber auch schon häufig am eigenen Leibe erfahren musste, wie hart und ungerecht das Leben sein kann. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich ihn manchmal ein wenig unsympathisch fand, aber das empfinde ich nicht als negativ. Im Gegenteil. Es trägt nur dazu bei, dass er als Figur authentisch und real wirkt.
Es treten zusätzlich viele verschiedene Nebenfiguren auf: Partner*innen, Freund*innen, Mitbewohner*innen, Eltern und Großeltern, Mitarbeiter*innen – das Figurenensemble ist sehr groß. Einige der Nebenfiguren begleiten die Figuren und die Geschichte nur ein Stück auf ihrer Reise, andere ziehen sich durch fast die gesamte Handlung. Ich fand die Auswahl an Figuren sehr gelungen. Sie haben dem Roman Lebendigkeit verschafft und die Protagonisten Sam und Sadie hervorragend ergänzt.
Schreibstil:
Auch der Schreibstil hat mir zu 100% zugesagt. Gabrielle Zevins’ Ausdrucksweise fand ich unglaublich schön und eloquent. Ihr Erzählstil war genau mein Geschmack. Ihre Worte haben mich berührt, ihre Geschichte hat mich bewegt.
Fazit:
Insgesamt hat mir “Morgen, morgen und wieder morgen” einfach wahnsinnig gut gefallen. Die Geschichte war rund und besonders. Videospiele wurden sehr geschickt eingebunden und das auf eine Weise, die auch Menschen gefällt, die für Computerspiele sonst eigentlich nichts übrig haben. Es geht viel um Popkultur, aber das war okay. Das war sogar mehr als okay. Die Figuren haben auf mich sehr echt und authentisch gewirkt. Der Schreibstil war grandios. Ich gebe dem Roman von Herzen gerne die wohlverdienten fünf Sterne.
Habt ihr “Morgen, morgen und wieder morgen” schon gelesen?
xoxo Ruth